Wilhelm Wundt

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Wilhelm Wundt (* 16. August 1832 in Mannheim; † 31. August 1920 in Großbothen) war ein deutscher Physiologe und Psychologe. Er gründete 1879 das erste Institut für experimentelle Psychologie in Leipzig und gilt als Begründer der Psychologie. Seine weltweite Anerkennung bestand bereits zu seinen Lebzeiten. An seinem Leipziger Institut studierten Männer aus vielen Ländern und begründeten anschließend in ihrer Heimat eine eigenständige akademische Psychologie.

Seit den 1880er Jahren war Leipzig eine weltberühmte Adresse für die neue Psychologie. Wundt betätigt sich auch politisch und war Mitbegründer des Vereins deutscher Arbeitervereine, einem Vorläufer der späteren sozialdemokratischen Arbeiterpartei, wiederum einer Gründungsvereinigung der späteren SPD.

In Leipzig gehörten zum Umfeld u.a. die Physiologen Carl Ludwig und Johann Nepomuk Czermak, der Anatom und Physiologe Ernst Heinrich Weber, der Universalgelehrte Gustav Theodor Fechner (1801–1887) und der Mediziner Rudolph Hermann Lotze (1817–1881). Mit einigen stand Wundt im fachlichen Austausch, mit anderen war er befreundet, wie z.B. mit dem Historiker Lamprecht, dem Geograph Ratzel und dem Chemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald, der ebenfalls in Großbothen lebte. Ostwald sah Wundt als seinen Mentor an.

Die Wahl Wundts zum Rektor im Amtsjahr 1889/1890 und als Redner der 500-Jahr-Feier der Universität spricht dafür, dass er weithin hohes Ansehen genoss. Zwischen 1875 und 1919 hat Wundt für 184 Doktoranden betreut, über 60 stammten aus dem Ausland. Schwerpunkte der Untersuchungen waren philosophische und psychologische Themen, die „Psychophysik“ und Reaktionszeitmessungen.

Wichtige Daten
  • 1875 wechselte Wilhelm Wundt auf eine ordentliche Professur für Philosophie an die Universität Leipzig
  • 1879 Gründung des „Instituts“ für experimentelle Psychologie an der Universität Leipzig, zunächst als Privateinrichtung
  • 1883 Zuweisung und Umbau von 6 Räumen sowie ein jährlicher Etat. Offizielle Anerkennung des „Instituts für experimentelle Psychologie“ der Leipziger Universität
  • 1889–1890 Rektor der Universität Leipzig
  • 1913 Gründung der Völkerpsychologischen Abteilung des Instituts
  • 1917 Rücktritt vom Lehramt (im Alter von 85 Jahren)
Auszeichnungen
  • 1876 Verleihung des Dr. phil. h.c. der Universität Leipzig
  • 1887 Verleihung des Dr. jur. h.c. der Universität Göttingen
  • 1888 Ernennung zum Königlich Sächsischen Geheimen Hofrat
  • 1902 Ehrenbürger der Stadt Leipzig
  • 1907 Ehrenbürger der Stadt Mannheim
  • 1912 Ernennung zum Mitglied des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste
  • Ehrenmitglied in 12 wissenschaftlichen Gesellschaften im Inland und Ausland
  • auswärtiges bzw. korrespondierendes Mitglied von 13 Akademien im Inland und Ausland
  • Namensgeber für die Asteroiden (635) Vundtia und (11040) Wundt.
Werk

Wundt hat in seinem Forschungsprogramm eine umfassende Wissenschaftskonzeption der Psychologie ausgearbeitet, die sich von der Psychophysik der Sinnesempfindungen, Aufmerksamkeitund Bewusstsein, Psychophysiologie der Emotionen, und einer umfangreichen Neuropsychologie bis zur Sprachpsychologie, Religionspsychologie und anderen Themen der Kulturpsychologie (Völkerpsychologie) erstreckte. Seine empirische Psychologie und Methodenlehre sind eng verknüpft mit seiner Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie der Psychologie. Mit seiner später ausgearbeiteten Ethik und seinem metaphysischen Voluntarismus entstand ein einheitlich konzipiertes System.
Die letzte große, in den Jahren zwischen1900 und 1920 entstandene Veröffentlichung Wundts war die zehnbändige „Völkerpsychologie“ (heute gleichbedeutend mit Kulturpsychologie, nicht mit Völkerkunde).
Das Werkverzeichnis des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte hat mit allen Aufsätzen und allen deutschen und fremdsprachigen Auflagen seiner Bücher 578 Einträge im Zeitraum 1853 bis 1950 (vgl. Eleonore Wundt, 1927; Robinson, 2001). Der amerikanische Psychologe Edwin Boring zählte 494 Publikationen Wundts (ohne reine Nachdrucke, aber mit revidierten Auflagen), die im Mittel 110 Seiten lang sind und insgesamt 53.735 Seiten umfassen. Wundt publizierte in 68 Jahren durchschnittlich sieben Arbeiten im Jahr, schrieb oder revidierte durchschnittlich 2.2 Seiten am Tag und war damit vermutlich der produktivste Wissenschaftler aller Zeiten, produktiver noch als der 24 Jahre jüngere Sigmund Freud (als Begründer der Psychoanalyse, nicht der Psychologie). Die Bedeutung Wundts für die Psychologie lässt ich durchaus vergleichen mit derjenigen Freuds für die Psychoanalyse.