25.6.22 – Tagung und Baustelleneröffnung

Psychologiehistorische Tagung anlässlich der Baustelleneröffnung 
„Wilhelm-Wundt-Haus“ in Grimma

Die Medizinische Hochschule Brandenburg lädt – zusammen mit der Berliner Gesellschaft für Geschichte der Medizin – am Samstag, den 25. Juni 2022 von 10.00 – 14.00 zu einer kleinen Tagung zu aktuellen Forschungsfragen der Geschichte der Psychologie nach Grimma-Großbothen (im Konferenzzentrum Wilhelm-Ostwald-Park) ein.

Der Anlass für diese Veranstaltung ist die Eröffnung der Baustelle zur umfassenden Restaurierung des denkmalgeschützten letzten Wohnhauses des berühmten Physiologen und Psychologen Wilhelm Wundt (1832-1920) im selben Ort ab 14.00, zu der interessierte Medizin*historikerinnen auch unabhängig vom Tagungsbesuch herzlich eingeladen sind.

Programm (ab 10.00)

Martin Wieser (Berlin)

Operative Psychologie. Theorie, Praxis und Konsequenzen der Psychologie im Auftrag der Staatssicherheit

Lisa Malich (Lübeck)

Die Verhaltenstherapie als genuin psychologisch? Zur Verflechtungsgeschichte der Klinischen Psychologie und somatischen Psychiatrie in Westdeutschland.

Laurens Schlicht (Saarbrücken)

Lügende Kinder – Zur Geschichte der ‚Weiblichen Kriminalpolizei‘ und der Aussagepsychologie während der 1920er Jahre

Präsentation von Semesterarbeiten von Studierenden der Medizinischen Hochschule Brandenburg im Rahmen des Seminars „Medizingeschichte“ 

Nach einem Mittagessen gibt es Gelegenheit für Führungen durch das Wilhelm-Ostwald-Museum und die umgebende Parkanlage und vor allem von 14.00 – 16.00 zur Teilnahme an der offiziellen Baustelleneröffnung „Wilhelm-Wundt-Haus“ mit Gedankenaustausch mit fröhlichem Umtrunk sowie Baustellenbesichtigung in kleinen Gruppen durch die Hausherrin. Nachmittags wird der Besuch des nahegelegenen Dental-Museums Zschadraß möglich sein.

Informationen zur Baustelleneröffnung um 14.00 Uhr finden Sie in der Anlage – hier wird auch um Anmeldung bis 4. Juni gebeten.

Die Teilnahme an der Tagung ist kostenfrei. Da die Plätze der Tagung sehr begrenzt sind und auch interessierten Studierenden die Möglichkeit zur Teilnahme gegeben werden soll, ist eine verbindliche (!) Anmeldung bis 20. Mai verpflichtend, formlos per Mail unter andreas.juettemann [at ] mhb-fontane.de. Es stehen im Ostwaldpark auch (wenige) Unterkünfte zur Verfügung (Übernachtungswünsche bitte auch bei der Anmeldung mit angeben).

Die Notsicherung hat begonnen

Die Architekten haben unserem Verein dankenswerterweise Unterlagen zum aktuellen Baustand übermittelt. Zusätzlich berichtete die Hauseigentümerin, die als Gast auf unserer letzten Mitgliederversammlung im Dezember 2019 erschienen ist, über den aktuellen Stand.

Die Notsicherung des Hauses hat im November 2019 begonnen. Die Baufirma ist dabei, in zwei Bereichen Notdächer ein zu ziehen. Ein Hausschwammspezialist aus Leipzig ist mit einer Prüfung beauftragt. Der Beginn der Notsicherungsmaßnahmen hatte sich verzögert, weil eine Stellungnahme der Naturschutzbehörde notwendig war. Ein statisches Konzept zur Notsicherung wurde erstellt, die Villa „freigerodet“ und ein belastbares Planum für die Baustelleneinrichtung aufgebracht. Für die Notsicherungsleistungen war ein Mobilkran erforderlich. Im einsturzgefährdeten Bereich wurde die Noteindeckung entfernt und mit den Abriss-, Bergungs- und statischen Sicherungsmaßnahmen begonnen. Arbeits- und Montageebenen für die neu einzubauenden Geschossdecken konnten angebracht werden. Der Abschluss der bauvorbereitenden Maßnahmen wurde für Januar 2020 angestrebt. Die Wiederherstellung des Hausstromanschlusses ist ebenfalls kurzfristig vorgesehen.

Bilder vom Hausinneren aus dem August 2020:

Tagung zur Zukunft des Wundthauses in Berlin

 „Wilhelm-Wundt-Haus Grimma, Erinnerungsort der Psychologie oder ausgestellte Wissenschaftsgeschichte?“

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Medizinhistorische Visite“ an der Berliner Charité lud das Institut für Geschichte der Medizin zu einer Tagung nach Berlin ein. An dem Kolloquium nahmen Wissenschaftler*innen und Studierende aus den Bereichen Psychologie und Medizingeschichte teil. Das zentrale Ziel der Zusammenkunft bestand darin, für die letzte Wohnstätte von Wilhelm Wundt in Großbothen, Ortsteil von Grimma (bei Leipzig), die gerade restauriert wird, adäquate Nutzungsmöglichkeiten zu diskutieren.

Mit dem dritten Vortrag leitete ANDREAS JÜTTEMANN, der sowohl als Stipendiat am gastgebenden Institut für Geschichte der Medizin tätig ist, als auch den stellvertretenden Vorsitz des Fördervereins Wilhelm-Wundt-Haus innehat, die Diskussion der Nutzungsfragen ein. Jüttemann schilderte zunächst den Zustand des Gebäudes, zeigte aktuelle Fotos, die die vorhandenen Schäden erkennen lassen, und erläuterte die Lage des Objekts in der Leipziger Umgebung. Dann berichtete er über die bereits zur Verfügung stehenden Finanzierungsmittel und den Stand der geplanten Baumaßnahmen. Die architektonische Betreuung des Projekts wurde von der Denkmalschützerin Katharina Ungerer-Heuck aus Freiburg, die mit dem inzwischen verstorbenen Wundtforscher Gustav A. Ungerer verheiratet war, vorbereitet. Den Auftrag zur Durchführung des Bauprojekts haben die Architekten Schmidt & Partner aus Weimar übernommen.

Jüttemann stellte Nutzungsideen vor:

(a)     Gründung eines Instituts zur Psychologiegeschichte (zum Beispiel in Analogie zu der brasilianischen Wilhelm-Wundt-Graduiertenschule zur Geschichte und Philosophie der Psychologie);

(b)     Errichtung eines psychologiehistorischen Museums für die breite Öffentlichkeit;

(c)     Einrichtung eines Wohn- und Arbeitsplatzes für eine/n Stipendiat/en/in.

Als ein derzeit noch bestehender Nachteil für die in Betracht genommenen Nutzungen ist die Tatsache anzusehen, dass der Grimmaer Ortsteil Großbothen, in dem sich das Wundthaus befindet, erst 2025 an das Leipziger S-Bahnnetz angeschlossen werden soll. Zur Zeit wird fast eine Stunde für die Anreise von Leipzig aus benötigt. Dies stellt viele Nutzungen zunächst in Frage, weil die Zahl der potentiellen Besucher*innen, z.B. eines Museums, nur sehr klein sein würde und sich deshalb das Vorhaben als wirtschaftlich nicht tragfähig erweisen könnte. Ein vergleichbares Problem betraf wahrscheinlich auch das von David Boder betreute Psychologiemuseum, das von 1938 bis 1957 in Chicago bestand und in dem vor allem psychophysiologische Instrumente und Apparate ausgestellt wurden.

In Würzburg existiert seit einigen Jahren das großzügig ausgestattete Adolph-Würth-Zentrum für Geschichte der Psychologie. Deshalb wäre mit Blick auf die Einrichtung einer Dauerausstellung in Großbothen darauf zu achten, dass keine Konkurrenzsituation entsteht. Gegen eine Erinnerungs- und Gedenkstätte spricht, dass das Institut für Psychologie der Universität Leipzig bereits das „Wilhelm-Wundt-Zimmer“ besitzt, in dem Exponate aus Wundts Büro und Labor ausgestellt sind (das Wundtzimmer soll auf Wunsch der Universität in Leipzig auch nach Fertigstellung des Wundthauses Grimma im Institut für Psychologie verbleiben).

In der DISKUSSION, die sich an die Vorträge anschloss, wurden nicht nur die bereits genannten, sondern auch weitere Nutzungsmöglichkeiten erörtert:

(d)     Lisa Malich schlug vor, nach dem Vorbild des Museums of Illusions in Ljubljana im Erdgeschoss zum einen ein spielerisches Arrangement für Kinder zum Thema optische Täuschungen, das als eine Art „Werbung“ für das Fach Psychologie dienen könnte und zum anderen einen Familientreffpunkt für Bewohner der Region zu schaffen.

(e)     Eine andere Überlegung betraf die Anbindung des Wundthauses an den benachbarten Wilhelm-Ostwald-Park (die u.a. in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll wäre).

(f)      Ein Betrieb als Außenstelle des Würthzentrums Würzburgs.

(g)     Ein Tagungs- und Gästehaus der Uni Leipzig.

(h)     Ein Tagungshaus für eine psychologische Fachgruppe. Nach dem Vorbild des Freudmuseums wäre dann die Einrichtung eines Vortragsraums nötig.

In der Diskussion wurde deutlich, dass die Idee eines Stipendiatenzimmers besonders opportun erscheint. Dabei ist vor allem an internationale Bezüge zu denken. So könnte z.B. Graduierten aus dem Wundtzentrum Brasilien, aus dem Zentrum für Psychologiegeschichte im kanadischen York oder aus China ein adäquater Forschungsaufenthalt ermöglicht werden. Mit Blick auf diese Nutzung wäre das Haus auch mit einer kleinen Bibliothek und mit einem Archiv auszustatten. In diesem Kontext ließe sich auch Anna Freuds Idee eines Spendenaufrufs für Bücher wieder aufgreifen. Die Initiative, im Wundthaus eine Wohn- und Arbeitsstätte für Stipendiaten einzurichten, müsste einerseits mit der Universität Leipzig und andererseits mit Institutionen erörtert werden, die für eine Kostenübernahme in Betracht kämen.

Falls es einen Kompromiss mit der Universität Leipzig gäbe (u.U. auf der Basis einer Befragung unter Mitgliedern der DGfPs), wo ein Wundtzimmer ‚hingehöre‘, sollte zumindest ein Raum der Person Wilhelm Wundt gewidmet werden. Die/der kostenfrei im Haus wohnende Stipendiat/i/en muss sich im Gegenzug um die Bibliothek kümmern und an ein bis zwei Tagen pro Woche interessierte Besucher empfangen.

Die Tragfähigkeit der Idee, im entlegenen Grimma-Großbothen „nur“ ein Wundt-Gedenkzimmer oder eine akademische psychologiehistorische Ausstellung einzurichten, bezweifelten alle Teilnehmer*innen (besonders wegen der zu erwartenden geringen Besucherzahlen).

Generell sollte – auch außerhalb der Psychologie – nach Möglichkeiten für weitere finanzielle und ideelle Unterstützung gesucht werden. Es wurde argumentiert: Auch das Freudmuseum in Wien stieße nicht allein bei Psycholog*innen und Ärzt*innen auf Interesse, sondern auch bei Literatur- und Kulturwissenschaftler*innen. Die anwesenden Medizinhistoriker*innen meinten, dass physiologische Fachgesesellschaften (Wundt war ja in der Medizin im Forschungsbereich Physiologie tätig) ebenfalls für eine Beschäftigung mit Wundts Lebenswerk aufgeschlossen seien.

Das Kolloquium schloss mit dem Fazit, dass die Restauration des Wundthauses ein sehr begrüßenswertes Projekt sei. Die Bemühungen für die Leistungen, insbesondere der Eigentümerin, wurden mehrfach hervorgehoben. Dennoch sahen alle Beteiligten die Schwierigkeit, eine sinnvolle (und ökonomisch vertretbare) Nutzung zu entwickeln.

Der vollständige Bericht erscheint in Kürze auf HSozKult.

Neuer Vorstand gewählt

Am 24. Oktober 2018 wählte der Förderverein Wilhelm-Wundt-Haus Großbothen einen neuen Vorstand: Tim Tepper (Landesamt für Denkmalpflege Sachsen) ist nun Vorsitzender und Dr. Andreas Jüttemann (Charité Universitätsmedizin Berlin) sein Stellvertreter. Außerdem hat der Verein eine neue Postanschrift und eine neue Bankverbindung.

Tim Tepper
Dr. Andreas Jüttemann